Konzepte von Agency in Fluchtforschung und Historischer Migrationsforschung. Interdisziplinärer Workshop von IMIS & SFB1604

Am 5. April 2024 laden Dr. Marcel Berlinghoff, Dr. Sebastian Huhn und Prof. Dr. Christoph Rass zu einem interdisziplinären Workshop über die Konzeptionalisierung von Agency von Zwangsmigrant*innen ein.

Migrationsforscher*innen aus Wien, Luzern, Osnabrück und Berlin diskutieren interdisziplinäre und reflexive Ansätze zur Konzeptionalisierung der Agency von Zwangsmigrant*innen in Vergangenheit und Gegenwart. Dazu bringen IMIS und SFB 1604 unterschiedliche Forschungsperspektiven aus unterschiedlichen Zeitschnitten ins Gespräch: Konzepte von Agency aus der gegenwartsbezogenen Flucht- und Flüchtlingsforschung treffen auf Analysen der Agency von Zwangsmigrant*innen der Historischen Migrationsforschung aus dem Kontext der Vertreibungs-, Flucht- und Displacementkrisen des 20. Jahrhunderts.

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Die Zeit seit dem Ersten Weltkrieg wird oft als “ein Jahrhundert der Flüchtlinge” bezeichnet. Nicht nur gab es immer wieder unermessliches Leid von Zwangsmigrant*innen, sondern auch ständige – und oft fehlgeschlagene – Versuche, durch nationales und internationales Recht sowie durch zahllose Organisationen Hilfe zu organisieren. Die öffentlichen und politischen Diskurse sowie die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema Zwangsmigration sind daher so alt wie das Phänomen selbst.

Die reflexive Wende in der Migrationsforschung mahnt an, die Produktion und Koproduktion von Definitionen, Kategorien, Konzepten und Darstellungen von Migration durch die Wissenschaften selbst zu erkennen und kritisch zu untersuchen. Gleichzeitig – und oft im Gleichschritt mit reflexiven Ansätzen – plädiert der Ansatz der Autonomie der Migration für eine andere Perspektive in Bezug auf die Agency von Zwangsmigrant*innen bei der Aushandlung ihrer Mobilität. Diesen Impuls nimmt am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück ab April 2024 der Sonderforschungsbereich (SFB) 1604 Produktion von Migration auf.

Unser Workshop greift dabei drei aufeinander bezogene Fragen auf: (1) Wie lässt sich durch einen Perspektivwechsel besser verstehen, auf welche Art und Weise Migrant*innen selbst zur Produktion von Migration beitragen bzw. Prozesse der Herstellung und Anwendung von Kategorien in Migrationsregimen beeinflussen können? (2) Wie beeinflussen Wahl und Anwendung unterschiedlicher theoretischer Konzepte von Agency im Forschungsprozess die Betrachtung dieses Phänomens? (3) Was können Migrationsforscher*innen durch eine Übertragung solcher Konzepte zwischen verschiedenen Zeithorizonten und Fallstudien über heuristische Potentiale lernen?

Der Workshop verbindet solche Ansätze, um zu einer kritischen und reflexiven Debatte darüber beizutragen, wie die akademische Wissensproduktion – hier zu Konzepten von Agency – über Migration dazu beiträgt, was Migration in der Gesellschaft bedeutet und bringt Migrationsforscher*innen aus verschiedenen (Sub-)Disziplinen zusammen, um ihre Ansätze und deren Wirkung zu diskutieren.

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PROGRAMM

Zwischenbericht des Projekts “Digitale Editionen der Selbstzeugnisse des Glandorfer NSDAP-Organisationsleiters Bernhard Beckmann”

Von Valentin Loos & Maik Hoops

Das Projektteam „Digitale Edition der Selbstzeugnisse des Glandorfer NSDAP-Organisationsleiters Bernhard Beckmann“ um Maik Hoops hat wichtige Meilensteine erreicht. 

Das Projekt der Professur für Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung der Universität Osnabrück und des Heimat- und Kulturvereins Glandorf e.V. kommt im Frühjahr 2024 zum Abschluss.

Das Projekt-Team “Digitale Edition der Selbsterzeugnisse des Glandorfer NSDAP-Organisationsleiters Bernhard Beckmann (vlnr: Julia Grewe, Valentin Loos und Maik Hoops, leider fehlt Vincent Jakubowski; Foto: Annika Heyen)

Ein Workshop mit unserem Kooperationspartner, dem Heimat- und Kulturverein Glandorf e.V., im Oktober sowie auch eine Projektpräsentation im Rahmen des Hochschulinformationstages (HIT) im November des vergangenen Jahres boten dem Team willkommene Anlässe zur Reflexion der erzielten Teilerfolge und stellten gleichzeitig die Weichen für die nächste Phase der Projektarbeit. 

Nun arbeiten die Projekthilfskräfte Julia Grewe, Vincent Jakubowski und Valentin Loos am Ausbau der Editionswebsite, die nach Projektabschluss zur kulturellen, didaktischen und wissenschaftlichen Weiternutzung in die Verantwortung unseres Kooperationspartners übertragen und online gestellt wird.  

In der ersten Projektphase wurden die Transkription und die digitale Aufbereitung der Selbstzeugnisse von Bernhard Beckmann aus der NS-Zeit und insbesondere aus den Jahren des Zweiten Weltkriegs umgesetzt. Danach begann in einer zweiten Phase die Bearbeitung der Tagebücher Beckmanns aus dem Ersten Weltkrieg.

Inzwischen hat das Projektteam die Workflows für die Transkription der handschriftlichen Dokumente mit Hilfe der KI-gestützten Modelle der Software Transkribus operationalisiert. Zunächst werden die Seiten einer Layout-Analyse unterzogen, wodurch einzelne Wörter, Zeilen, Absätze und Textregionen erkannt und dargestellt werden. Darauf basierend folgt die Anwendung eines adaptierten und vom NGHM-Team auf Beckmanns Handschrift weitertrainierten Texterkennungsmodells, welches die in Kurrentschrift vorliegenden Dokumente in einen maschinenlesbaren Text umwandelt.

Eine beispielhafte Ansicht des Arbeitsbereiches in der Software Transkribus zeigt die einzelnen Arbeitsschritte Layout-Analyse, Texterkennung und Transkription.

Die Zwischenergebnisse der Layout-Analyse und der Texterkennung für den insgesamt über 1000 Blätter umfassenden Quellenkorpus erforderten nach dem Einsatz von Transkribus eine aufwändige Nachbearbeitung, um letztendlich ein fehlerfreies, quellentreues und publikationsfähiges Transkript zu erstellen. 

Projekthilfskraft Vincent Jakubowski bei der Bereinigung des Transkripts mithilfe der Software Transkribus

Die so entstandenen Transkripte bilden die Grundlage für die weitere Arbeit an der Edition. Sie werden mit Hilfe eines eigens entwickelten und auf die Funktionalitäten der Open-Source Software Omeka abgestimmten Editionsleitfadens für die Übertragung auf die Projektwebsite aufbereitet. Sind die Transkripte vollständig übertragen, werden textkritische Anmerkungen sowie Sachkommentare in Form von (Overlay-)Fußnoten und Querverweisen eingepflegt. Darüber hinaus sind die Transkripte mit mit Scans der handschriftlichen Beckmann‘schen Tagebucheinträge verlinkt, sodass Lesende einen eins-zu-eins-Abgleich von Original und Transkript vornehmen können.  

Aktuell arbeitet das Team am Aufbau des sachkritischen Anmerkungsapparats sowie eines Glossars, in welchem über Verlinkungen, Mouseovers und Pop-up-Fußnoten weiterführende Informationen zu zentralen Orten, Gebäuden und Personen geführt werden, die in Beckmanns Schriften eine wiederkehrende Rolle einnehmen, sowie an der Erweiterung begleitender theoretisch-methodischer Kapitel zur Konzeption und Bedeutung der Edition. Bis zum Projektabschluss geht es dann noch um den Feinschliff von Layout und Funktionalitäten der Editionswebsite .

Projektkoordinator Maik Hoops konnte zugleich im Februar an dem von der Universitätsbibliothek Osnabrück angebotenen Workshop “Going digital – Edieren lernen mit digitalen Tools” teilnehmen, um Orientierung, Ideen und Tipps zur Umsetzung digitaler Editionen zu gewinnen, Antworten auf offene Fragen zu erhalten und sich über Erfahrungen mit der Gestaltung digitaler Editionen auszutauschen.

Schwerpunktmäßig ging es in dem Workshop um die grundlegende editorische Durchdringung von historischen Quellen im XML-Format mithilfe des XML-Editors Oxygen. Dabei wurde praktisch erarbeitet, wie Quellen mithilfe dieses Tools und entlang der von der Text Encoding Initiative (TEI) entwickelten Standards in einem datenbanksicheren Format editorisch erschlossen, ausgezeichnet und aufbereitet werden können. Gegen Ende des Workshops wurde dann der TEI Publisher als Tool zu Veröffentlichung der im XML-Format aufbereiteten Quellen diskutiert.

Ein Ausschnitt eines Tagebucheintrages auf der Omeka-Editionswebsite

Die Reflexion der Arbeit am eigenen Editionsprojekt vor dem Hintergrund der Teilnahme am Workshop lässt die Eigentümlichkeiten unseres Projekts deutlich werden: Es zielte darauf ab, eine große Menge von Quellenmaterial und -text (über 1000 Blatt Tagebücher und weitere Selbstzeugnisse) unter Einsatz begrenzter Ressourcen möglichst effizient in einem für eine breite Leser:innenschaft nutzerfreundlichen und kostenfreien Format zur Veröffentlichung zu bringen – ein Vorhaben, das sich mithilfe von Omeka hervorragend realisieren lässt. Zur Gewährleistung nachhaltiger Nutzung sollen die digitalen Produkte dann so einfach zu hosten sein, dass der Heimat- und Kulturverein das Produkt vollständig in seine Verantwortung übernehmen kann. Solche Erwägungen stellen Fragen nach einem guten Gleichgewicht zwischen Funktionsvielfalt und Standardtreue von Softwaretools und pragmatischer Nutzbarkeit in nicht-wissenschaftlichen bzw. wissenschaftsnahen public history Formaten.

In Kürze werden die, größtenteils handschriftlichen, Originalschriften Beckmanns aus den Jahren 1914 bis 1945 mitsamt Transkription, text- und sachkitischem Anmerkungsapparat sowie einem Glossar online frei zugänglich sein. Eine tiefgehende datenbanksichere Erschließung und Auszeichnung der Schriften Beckmanns hingegen konnte auf diesem Wege nicht gewährleistet werden.

„Einige Tausend ungezählte Kleinkinder“ – Gedenken an die Opfer der Deportationen von Ozarichi/Azaryčy in Belarus am 80. Jahrestag.

In der Woche vom 12. bis zum 19. März jährt sich eines der größten Kriegsverbrechen der Wehrmacht zum 80. Mal. Truppen der 9. Armee der Wehrmacht deportierten etwa 50.000 Menschen, die sie als „unnütze Esser“ einstuften – vor allem Alte, Kranke, Personen mit Behinderungen und Frauen mit kleinen Kindern – in Lager nahe der Frontlinie beim Dorf Ozarichi und ließen sie dort als „menschliche Schutzschilde“ beim eigenen Rückzug zurück.

Etwa 9.000 Menschen starben während der Deportationen oder an ihren Folgen. Den 80. Jahrestag dieser Tragödie nahmen Aliaksandr Dalhouski und Christoph Rass zum Anlass, mit einem öffentlichen Vortrag im Ratssitzungssaal der Stadt Osnabrück an die Opfer dieses Kriegsverbrechens zu erinnern und zugleich sich zugleich mit den Tätern und ihrer Gesellschaft zu befassen, die solche Taten hervorbringen konnte.

Möglich wurde der Vortrag im Rahmen des Projekts „Mapping the Co-Presence of Violence and Memory in Belarus“ durch eine Kooperation mit dem Osnabrücker Friedensbüro.

Ihrem Abschlussbericht an die Heeresgruppe Mitte legte die 9. Armee ausführliches Kartenmaterial zur Dokumentation der Deportationen bei (Quelle: Bundesarchiv).

Kaum einer der Landstriche, die zwischen 1939 und 1945 unter deutsche Besatzung gerieten, erlitt so schwere Verwüstungen wie das Territorium der heutigen Republik Belarus. Insgesamt verloren zwischen 2,2 und 3 Millionen der vormals 10 Millionen Einwohner:innen des Landes ihr Leben. Neben Maly Trascjanec, nach Auschwitz einer der furchtbarsten Tatorte des natonalsozialistischen Völkermordes, waren die Deportationen von Ozarichi ein tiefe Narben im kollektiven Gedächtnis hinterlassendes Ereignis; ein Kriegsverbrechen, das von einer ganzen Armee begangen wurde, mit Tausenden Soldaten, die von der Planung über das Zusammentreiben der Opfer bis zur Bewachung der Lager und bis zum Mord an Tausenden ihre Tatbeiträge leisteten. Nur wenige der Täter wurden nach dem Krieg zur Verantwortung gezogen; ein Bewusstsein für Tat und Täter entwickelte sich in Deutschland nur langsam und spät.

Eine detaillierte Statistik der Wehrmacht zeigt die Bewegung der Opfer zwischen den Lagern (Quelle: Bundesarchiv).

Auch in Belarus haben die Opfer von Ozarichi nur schwer ihren Platz in der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die deutsche Besatzung gefunden. Die Ereignisse des März 1944 passten nicht zur offiziellen sowjetischen Geschichtsschreibung, laut der Belarus ein Mittelpunkt der antifaschistischen Partisanenbewegung gewesen war; ein Mythos der sowohl die Heterogenität des Widerstandes wegwischte als auch wenig Raum ließ für einen differenzierten Umgang mit den Opfern des Krieges. Obwohl die Ozarichi-Überlebenden immer wieder versuchten, auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen, bestimmte die Sicht der Veteranen der Roten Armee die Wahrnehmung der Ereignisse.

Die anschließende Diskussion mit den Zuschauer:innen kreiste um aktuelle Ansätze und Herausforderungen für eine bi-nationale Erinnerungskultur an die Verbrechen unter deutscher Besatzung in Belarus im Allgemeinen und an Ozarichi im Speziellen: Wie zugänglich sind die historischen Orte in Belarus angesichts des Krieges Russlands gegen die Ukraine noch für deutsche Reisende?

Eine Lagekarte der Wehrmacht zeigt die Position der Lager bei Ozarichi im Gefechtsgebiet des 56. Panzerkorps (Quelle: Bundesarchiv).

Wie kann die erinnerungskulturelle Arbeit angesichts zunehmenden politischen Drucks auf belarusische Akteure fortgesetzt werden? Antworten darauf, so Christoph Rass und Aliaksandr Dalhouski, sind Projekte wie die Kooperationen zwischen der von dem IBB Dortmund finanzierten Geschichtswerkstatt Minsk und der Universität Osnabrück sowie der Einsatz digitaler Tools, die ein höheres Maß an erinnerungskultureller Partizipation, sowohl im Hinblick auf das Gedenken als auch bezogen auf das Erzählen von Vergangenheit ermöglichen.

Eingebettet war der Vortrag in die von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) finanzierten Workshopwoche „Mapping the Co-Presence of Violence and Memory in Belarus“, in der Wissenschaftler:innen, Studierende und andere Akteur:innen aus der belarusischen Zivilgesellschaft – viele von ihnen im Exil lebend – solche digital public history Formate entwickeln, die von Initiativen für eine reflektierte Erinnerungsarbeit selbstständig eingesetzt werden können. Vor Beginn des Vortrags konnten die belarusischen Gäste unter der Führung des Historikers Thorsten Heese vom Museumsquartier Osnabrück den historischen Friedenssaal, in dem 1648 mit den protestantischen Gesandten über das Ende des Dreißigjährigen Krieges verhandelt worden war, und den Osnabrücker Ratsschatz bewundern. Das Thema der Führung: die Bedeutung und Herstellung von Frieden.

Ozarichi 1944 – Vortrag 80 Jahre nach deutschem Kriegsverbrechen in Belarus im Osnabrücker Ratssitzungssaal

Als Teil einer Projektwoche zu kritischer Erinnerungskultur zur deutschen Besatzungsherrschaft, dem Vernichtungskrieg und der Shoah in Belarus an der Universität Osnabrück findet am 15. März 2024 um 19 Uhr im Ratssitzungssaal der Stadt Osnabrück ein Vortrag über die Deportationen bei Ozarichi, Belarus, im März 1944 statt. Es sprechen Dr. Aliaksandr Dalhouski von der Geschichtswerkstatt Leonid Levin in Minsk und Prof. Dr. Christoph Rass von der Universität Osnabrück.

Etwas außerhalb von Ozarichi erinnert seit den 1990er Jahren ein Denkmal an die Opfer der Deportationen. Wie zeichnen sich dort Transformationen der Erinnerungskultur ab? (Foto: Aliaksandr Dalhouski).

Im März 2024 jährt sich zum 80. Mal eines der größten Kriegsverbrechen der Wehrmacht in Belarus: Damals deportierten Truppen der 9. Armee der Wehrmacht etwa 50.000 Zivilistinnen und Zivilisten in Lager nahe der Frontlinie beim Dorf Osaritschi und ließen ihre Opfer, darunter viele Mütter mit kleinen Kindern, ältere Menschen, Kranke und Menschen mit Behinderung, dort als „menschliche Schutzschilde“ beim eigenen Rückzug zurück, um „unnütze Esser“ zu beseitigen. Etwa 9.000 Menschen starben während der Deportationen oder an deren Folgen.

Der Vortrag  Osaritschi 1944. Ereignis und Erinnerung thematisiert die Hintergründe, die Planung und die Umsetzung dieses Kriegsverbrechens der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg und diskutiert die Aufarbeitung und die Erinnerungskultur in diesem Kontext in Belarus und Deutschland.

Alle Interessierten sind herzlich zu dieser öffentlichen Veranstaltung eingeladen. 

Der Vortrag schließt eine Akademiewoche des Projekts Mapping the Co-Presence of Violence and Memory in Belarus, während der deutsche und belarusische Wissenschaftler:innen, Studierende und zivilgesellschaftliche Akteure gemeinsam an Konzepten und Ideen einer transnationalen und kritisch reflexiven Erinnerungskultur gearbeitet haben.

Das Projekt wird von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft gefördert und gemeinsam von der Professur für Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung der Universität Osnabrück mit dem Internationalen Bildungs- und Begegnungwerk (IBB) Dortmund sowie der Geschichtswerkstatt Minsk durchgeführt.

Eröffnung der Fotoausstellung “Orte und Erinnerung” des belarusischen Fotografen und Historikers Alexander Litin

Am Mittwoch, 13. März 2024, wurde die Fotoausstellung “Orte und Erinnerung” des inzwischen in Israel lebenden belarusischen Fotografen und Historikers Alexander Litin im Studierendenzentrum der Universität Osnabrück (Gebäude 53) eröffnet. Die Arbeiten von Alexander Litin zur Shoah werden in Osnabrück erstmals überhaupt öffentlichen gezeigt.

Alexander Litin ist derzeit im Rahmen der Akademiewoche “Mapping the Co-Presence of Violence and memory in Belarus” gemeinsam mit 19 anderen belarusischen (Exil-)Wissenschaftler:innen Gast der Professur für Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung an der Universität. Gemeinsam mit der Historkerin Ida Schenderowitsch, der stellvertretenden Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Mogilev und einer der führenden Expert:innen für die jüdische Geschichte der Region führte er die Besucher:innen in die Ausstellung und ihre Bilder ein, mit denen sie die jüdische Geschichte und die Erinnerungen an die Shoah in der Region Mogilev dokumentieren.

Bei den gezeigten Aufnahmen handelt es sich um Reportageporträts von Befragten – Juden und Nichtjuden –, die das Leben im Ort vor dem Krieg sowie die Ereignisse während der Besatzung, der Evakuierung und der Nachkriegszeit miterlebt haben. Einen besonderen Platz in der Ausstellung nehmen Aufnahmen von Vernichtungsorten der Shoah und Denkmälern für Holocaust-Opfer ein, die in der Nachkriegszeit errichtet wurden. Ergänzt wird das Bildmaterial durch kleine erläuternde Texte mit Auszügen aus Erinnerungsberichten.

Die 20 Bilder in der Ausstellung repräsentieren nur einen kleinen Ausschnitt aus Litins umfangreichen Werk. Eingebettet in die von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) finanzierten Workshopwoche “Mapping the Co-Presence of Violence and Memory in Belarus” verdeutlichen sie die Transformation und Überlagerung von Erinnerungskulturen, die die Workshopteilnehmenden derzeit gemeinsam mit dem NGHM-Team unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Rass, Mirjam Adam und Dr. Aliaksandr Dalhouski bearbeiten.

Das gezeigte Spekrtum reicht von Bildern von Orten sowjetischer Gedenkkultur bis hin zu Aufnahmen stärker selbstbestimmter Erinnerungsorte jüdischer Gemeinden oder auch von Individuen, die an ihren Lebensorten an die zerstörten jüdischen Gemeinden, die ermordeten Nachbarn und die Erfahrungen von Krieg und Shoah erinnern.

Die Fotografien wurden in der Druckerei der Universität produziert, die Bildplatten haben die Werkstätten der Universitätsbilbiothek hergestellt. Zu sehen ist die Ausstellung noch bis einschließlich Mittwoch, 17. April 2024, im Studierendenzentrum der Universität Osnabrück.

‘In Stein gemeißelt’. Abschlussveranstaltung stellt Ergebnisse eines internationalen Projekts vor.

Am 12. März war das Team der Professur Neueste Geschichte und Historische Migrationsoforschung der Universität Osnabrück gemeinsam mit seinen Projektpartner:innen aus Göttingen, Riga und Minsk mit der Abschlussveranstaltung des vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur finanzierten trinationalen, digitalen Projekts “In Stein gemeißelt? – Digital erfahrbare Erinnerungsdiskurse im Stadtraum von Niedersachsen und Osteuropa” zu Gast in der Universitätsbibliothek auf dem Campus Westerberg.

Ein Jahr lang haben mehr als 40 Studierende und geschichtswissenschaftlich Forschende Gedenkorte an den insgesamt fünf Projektstandorten dreidimensionalen Modelle von Denkmälern digitalisiert, deren Umgebung über 360°-Panoramafotografien eingefangen, die Hintergründe dieser Orte und ihrer Bedeutung recherchiert und ihre Ergebnisse mit Unterstützung des Kulturerbes Niedersachsen auf einer gemeinsamen Website [isg.gvb.de] zusammengetragen, die materielle Erinnerungskultur an vier Standorten in drei Ländern kontextualisiert und in Beziehung setzt.

Beteiligt an “In Stein gemeißelt” waren neben der NGHM das Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte der Universität Göttingen, die Geschichtswerkstatt Minsk, die Fakultät für Geschichte und Philosophie der Universität Lettlands in Riga und das Museum Friedland.

Die Startseite der Website “In Stein Gemeißelt”. Bitte klicken, um die Seite aufzurufen.

“Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen.” Dieses Sprichwort griff Dr. Maria Rhode, Akademische Rätin am Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte der Georg-August-Universität Göttingen und gemeinsam mit Prof. Dr. Christoph Rass Leiterin des Projekts “In Stein gemeißelt”, in ihrem einleitenden Grußwort auf. Das “Kind” in diesem Szenario war die gemeinsam erstellte Website und das “Dorf” die große Gruppe an Menschen, die sich an diesem Arbeitsprozess beteiligt hatten: Von der Entwicklung des Projektantrags im Sommer 2021 über die Erstellung eines groben Konzepts, die Durchführung von thematisch angepassten Lehrveranstaltungen in Göttingen und Riga, die Auswahl und Digitalisierung von Erinnerungsorten durch die Studierenden, das Recherchieren und Verfassen von objektbiografischen und informativen Texten zu Denkmälern und Leerstellen in der Erinnerungskultur bis hin zum Erstellen und Füllen der Website waren es 60 Personen.

43 Gedenkorte bzw. Leerstellen in der Erinnerungskultur haben die Projektbeteiligten für die gemeinsame Website digitalisiert und gesammelt. Bitte klicken, um die Seite aufzurufen.

Projektziele- und Umsetzung

Ziel des Projekts war es ursprünglich, nachzuzeichnen, wie der geteilten Geschichte von begangenem und erfahrenem Unrecht im 20. Jahrhundert an verschiedenen Standorten gedacht und welchen Orten dabei Sinn verliehen bzw. welche Orte dabei unbeachtet bleiben. Dabei sollten Vernetzungen zwischen Niedersachsen als Standort dieser geteilten Geschichte und Osteuropa sichtbar gemacht werden. Die Erkenntnisse dieser ersten beiden Schritte sollten anschließend in niedrigschwelligen Formaten einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Diese Projektziele erweiterten sich methodisch im Verlauf des Erarbeitungsprozesses, immer stärker rückte die Idee in den Vordergrund zu erproben, wie Studierende und Akteur:innen aus er Zivilgesellschaft über kostengünstige oder sogar kostenlose digitale Tools Erinnerungsorte und Erzählungen über Vergangenheit einfangen und zusammenführen können.

Drei Länder – drei Erinnerungskulturen?

Wie sich die jeweiligen Erinnerungskulturen in Deutschland, Belarus und Lettland seit Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelt hatten, trugen Dr. Maria Rhode, Dr. Aliaksandr Dalhouski, Dr. Katja Wezel und Dr. Mārtiņš Mintaurs, letzterer digital aus Riga zugeschaltet, überblickhaft vor. Die Moderation übernahm Annika Heyen, die zusammen mit Jennifer Frank vom Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte der GAU Göttingen die Koordinatorin des Projekts ist und die Arbeit des Osnabrücker Teams leitet. Maria Rhode aus dem Göttinger Projektteam skizzierte in ihrem Beitrag den Weg deutscher Erinnerungskultur vom “dröhnenden Schweigen”, Selbstviktimisierung hin zum Entstehen erster Gedenkstätten – zunächst in der DDR ab den späten 1950er Jahren, ab den 1980er Jahren auch in der Bundesrepublik – hin zu einer zunehmenden Öffnung des Gedenkens nicht nur für weitere Opfergruppen des NS-Regimes neben den ermordeten Jüdinnen und Juden, sondern auch für Opfer anderer Genozide, wie etwa die Herero und Nama, die Opfer des Holodomor und die verfolgten und ermordeten Armenier.

Aliaksandr Dalhouski, stellvertretender Leiter der Geschichtswerkstatt Minsk, Lehrbeauftragter an der Universität Osnabrück und zuständig für die Erarbeitung der belarusischen Projektbeiträge, zeichnete die Entwicklungslinien der belarusischen Erinnerungskultur von der sowjetischen Zeit über die Phase größerer Demokratisierung in der Gedenkarbeit während der Glasnost und Perestroika hin zu einer re-Sowjetisierung seit Regierungsantritt Aljaksandr Lukaschenkas 1994 und damit verbundenen aktuellen Herausforderungen im öffentlichen Gedenken an Gewaltereignisse des 20. Jahrhunderts nach.

Dass auch in Lettland öffentliches Gedenken stark vom Staat beeinflusst wird, referierten Katja Wezel, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der GAU Göttingen, und Mārtiņš Mintaurs, Assistenzprofessor an der Fakultät für Philosophie und Geschichte an der Universität Lettlands, aus dem Team Riga. Ihnen zufolge lässt sich die lettische Erinnerungskultur an das 20. Jahrhundert vor allem in zwei große Themenbereiche einteilen: in das Erinnern an die Verbrechen nationalsozialistischer Täter:innen und an durch das Sowjetregime begangenes Unrecht. Diese Einteilung spiegle sich auch in der Auswahl der digitalisierten Denkmäler für die Projektwebsite “In Stein gemeißelt” wider.

Im Anschluss an diese inhaltlichen Vorträge entwickelte Prof. Dr. Christoph Rass Perspektiven, Veränderungen und Chancen für das Zusammenwirken von public history, citizen science und digital history durch die aktuelle Phase der digitalen Transformation – dies allerdings auch vor dem Hintergrund von politischen Herausforderungen für die Persistenz einer kritisch reflektierten Erinnerungskultur in Europa.

Teilhabe an Erinnerungsprozessen nicht nur als Zuschauer sondern als Geschichte erzählende Akteur:innen durch digitale Methoden; über 40 Studierende beteiligten sich in der Göttinger und der Rigaer Lehrveranstaltung sowie als Studentische Hilfskräfte an diesem Experiment und erstellten mithilfe ihrer mobilen Endgeräte Modelle von 43 Erinnerungsorten. Vier von ihnen – Jannik Meier aus dem Göttinger Projektteam, Jan Otto aus dem Team Riga und Johannes Pufahl sowie Tim Ott aus dem Team Osnabrück – stellten den Erarbeitungsprozess, die fertige Website sowie den digitalen Stadtrundgang – eine mobile Version der Seite für unterwegs – vor.

Dabei reflektierten sie nicht nur die besondere Lernerfahrung, die sie durch das Recherchieren und Verfassen von Texten für ein digitales, öffentliches Produkt sammeln konnten, sondern auch die besondere Bedeutung der Erinnerungsarbeit “von unten” im Gegensatz zur staatlich verordneten und dominierten Erinnerungskultur auch an den beteiligten Standorten Minsk und Riga.

Zum feierlichen Projektabschluss kamen viele Projektbeteiligte in Osnabrück zusammen. V.l.n.r.: Aliaksandr Dalhouski, Philip Knäble, Maria Rhode, Jan Otto, Jannik Meier, Annika Heyen, Christoph Rass, Tim Ott und Johannes Pufahl. Es fehlt: Katja Wezel. Foto: Jessica Wehner

Als trinationales, aber dennoch in Niedersachsen beheimatetes Projekt stellt die Website sämtliche Beiträge zu den erfassten Denkmälern in deutscher und englischer Sprache, die Beiträge aus Riga und Minsk zusätzlich in der jeweiligen Landessprache Lettisch bzw. Belarusisch zur Verfügung. Wer die in Stein gemeißelte Erinnerungskultur dreier Länder lieber vor Ort und mithilfe eines mobilen Endgerätes entdecken möchte, kann in Kürze auf unseren digitalen Stadtrundgang zurückgreifen.

‚Migrating Concepts‘ – Julie M. Wise & Christoph A. Rass in der American Historical Review (3/2024).

Wie verbreiten sich migrationspolitische Ideen und Konzepte transnational? Wie beobachten unterschiedliche Akteure Diskussionen und Entwicklungen und transportieren ihr Wissen in andere Diskursräume? Wie verändert sich über solche Translationen die Produktion der Bedeutung von Migration?

Fragen sie diese diskutieren Prof. Dr. Julie M. Weise, Historikerin an der University of Oregon, Eugene, und Prof. Dr. Christoph Rass vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück in ihrem neuesten Aufsatz, der soeben in der American Historical Review erschienen ist.

Migrating Concepts: The Transatlantic Origins of the Bracero Program, 1919–42 

von  Julie M Weise & Christoph Rass, in: AHR 129/2024, pp. 22-52, https://doi.org/10.1093/ahr/rhad500, published 13 March 2024.

Das Bracero-Programm (1942–1964) war bilaterales Abkommen zur Regulierung der Arbeitsmigration zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko in dessen Rahmung mehr als vier Millionen Arbeitsverträge zustande kamen, die es mexikanischen Männern ermöglichten, „vorübergehend“ in den Vereinigten Staaten zu arbeiten. Bisher hat die Forschung dieses bilaterale Wanderungsabkommen vor allem im Kontext der Machtverhältnisse zwischen Mexiko und den USA und mit Blick auf us-amerikanische Hegemonialpolitik interpretiert.

Der nun vorliegende Artikel zeigt jedoch, dass der Aushandlung des Bracero-Programms zwei Jahrzehnte transatlantischer Austausch und Wissenstransfer vorausgegangen sind. Während der Zwischenkriegszeit beteiligten sich mexikanische Politiker, Intellektuelle und Aktivisten mit viel Energie an transatlantischen und interamerikanischen Dialogen über Migrationspolitik, analysierten Italien als ein Beispiel erfolgreicher Politik zum Schutz von Migrant:innen und studierten die bilateralen Abkommen zur Regulierung zwischenstaatlicher Arbeitsmigration, die sich seit dem Ende des Ersten Weltkrieges in Europa verbreiteten und von der Internationalen Arbeitsorganisation in ihrem Arbeitsprogramm aufgegriffen wurden.

Auch auf us-amerikanischer Seite begann in der Zwischenkriegszeit das Interesse an dieser neuen europäischen Institution zu wachsen und eine intensive wissenschaftliche Debatte entwickelte sich an der Wende zu den 1930er Jahren, ob eine Einführung von bilateralen Wanderungsabkommen zur Regulierung temporärer Arbeitsmigration für die Vereinigten Staaten Vorteile bringen könnte. Am Widerstand von Bürokratie und Politik vorbei konnten sich solche Vorschläge indes zunächst nicht durchsetzen.

In beiden Gesellschaften, in Mexiko und den USA, entstand durch diese Aktivitäten Wissen über europäische Migrationspolitiken und ihre Institutionen sowie die wachsende Bedeutung staatlich regulierter Programme zur Steuerung temporärer Arbeitsmigration. Daraus resultierte in Mexiko ein stark positives Verständnis bilateraler Wanderungsverträge, die als ein Instrument gesehen wurden, den Schutz mexikanischer Migrant:innen in den USA zu verbessern. In den Vereinigten Staaten blieb, trotz intensiver Diskussionen über die Vorteile einer veränderten Migrationspolitik, zunächst die Ablehnung einer Abkehr von traditionellen Politiklinien dominierend.

Als die USA Ende 1941 in den Zweiten Weltkrieg eintragen, veränderte sich die Lage grundsätzlich. Die Vereinigten Staaten strebten nun eine Ausweitung der Anwerbung von Arbeitskräften in Mexiko an, die dortigen Beamten und Politiker indes waren mit mit der Idee bilateraler Wanderungsverträge, wie nun aus dem Norden vorgeschlagen, bestens vertraut und konnten auf dieser Grundlage die Aushandlung des Bracero-Programms 1942 entscheidend mitgestalten.

De Befunde des Beitrags unterstreichen die Notwendigkeit, die Geschichte migrationspolitischer Konzepte als eine transnational verflochtene Wissensgeschichte aufzufassen, bei der Transfers von Wissen und Ideen in komplexeren Bahnen und Mustern beobachtet werden können, als vielfach angenommen.

Weitere Beiträge zum Thema

Erinnerungsorte der Shoah in Belarus. Eine Fotoausstellung von Alexander Litin @ Uni Osnabrück

Im Studierendenzentrum (StudZ) der Uni Osnabrück laufen die Vorbereitungen für die Eröffnung der Fotoausstellung ‘Места и память – Orte und Erinnerung’ von Alexander Litin, der erstmals seine Arbeiten über Erinnerungen und Erinnerungsorte der Shoah in Belarus zeigt.

Im StudZ warten die Bilder der Ausstellung ‘Места и память – Orte und Erinnerung’ auf die Eröffnung (Foto: Lukas Hennies).

Die Ausstellung ist Teil des Projekts Mapping the Co-Presence of Violence and Memory in Belarus bei dem vom 11. bis zum 17. März 2024 an der Universität Osnabrück Studierende, Wissenschaftler:innen und zivilgesellschaftliche Akteure aus Belarus und Deutschland zusammen kommen, um gemeinsam über Wege und Konzepte kritisch reflexiver Erinnerungskultur zu diskutieren.

Die Ausstellung wird am 13. März 2024 um 18 Uhr im Studierendenzentrum der Universität (Gebäude 53) der Universität Osnabrück im Beisein des Fotografen eröffnet.

Lukas Hennies, Mitarbeiter @NGHM/UOS koordiniert den Aufbau der Ausstellung im StudZ (Foto: NGHM)..

Schon Tage zuvor sind Mitarbeiter:innen der Professur für Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung (Prof. Dr. Christoph Rass), unterstützt von den Werkstätten der Universitätsbibliothek und der Leitung des StudZ, mit Druck und Hängung der Bilder im StudZ beschäftigt, bevor am kommenden Sonntag die Teilnehmer:innen des korrespondierenden Workshops eintreffen und die gemeinsame Arbeit am 11. März 2024 beginnt.

Weitere öffentliche Veranstaltung im Projektkontext sind ein Abendvortrag zu den Deportationen von Osaritschi im März 1944, die sich in der kommenden Woche zum 80. Mal jähren. Am 15. März 2024 um 19 Uhr sprechen Dr. Aliaksandr Dalhouski, Geschichtswerkstatt Minsk, und Prof. Dr. Christoph Rass, Universität Osnabrück im Ratssitzungssaal der Stadt Osnabrück über  Osaritschi 1944. Ereignis und Erinnerung. Alle Interessierten sind herzlich zu dieser öffentlichen Veranstaltung eingeladen. 

In dieselbe Woche fällt die Abschlussveranstaltung des Projekts In Stein gemeißelt? – Digital erfahrbare Erinnerungsdiskurse im Stadtraum von Niedersachsen und Osteuropa, das durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert wird und in dessen Mittelpunkt die kritische Erschließung materieller Erinnerungskultur in Osteuropa und Niedersachsen mit digitalen Methoden steht. Am 12. März 2024 ab 18 Uhr stellen die Mitwirkenden in der Universitätsbibliothek auf dem Campus Westerberg ihre Ergebnisse in einer hybriden Veranstaltung vor. Interessierte können sich unter der E-Mail-Adresse annika.heyen@uni-osnabrueck.de anmelden.

>> Weitere Informationen zu Projekt und Terminen

Kooperation zwischen dem Emsland Moormuseum und der Uni Osnabrück: Projektstart zur Digitalisierung der Sammlung Richard

Im Emsland Moormuseum in Geeste liegt der Nachlass des Ingenieurs Karl-Hinrich Richard (1913-1994), der als ein Pionier technischer Innovation im Torfabbau nach dem Zweiten Weltkrieg gilt. Die Sammlung dokumentiert in mehr als fünfzig Aktenordnern zwischen 1950 und 1980 Ideen und Wahrnehmungen, Analysen und Vernetzungen sowie schließlich Erfindungen und Entwicklungen eines Akteurs, der als Fachingenieur daran beteiligt war, Produktions- und Verarbeitungsmaschinen im Torfabbau zu revolutionieren.

Diesen bisher vollkommen unerschlossen Nachlass will nun ein Kooperationsprojekte zwischen Emsland Moormuseum und Universität Osnabrück (Prof. für Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung, Dr. Christoph Rass) digital erschließen und explorativ auswerten.

Dr. Michael Haverkamp, Dr. Michael Schmidt, Prof. Dr. Christoph Rass, Markus Jähnchen (vlnr; Foto: Moormuseum)

Zum Auftakt konnten am 8. März 2024 Dr. Michael Haverkamp, Direktor des Moormuseums, gemeinsam mit dem Projektbearbeiter Dr. Michael Schmidt, Projektleiter Digitalisierung Markus Jähnchen und Prof. Dr. Christoph Rass die Bestände eingehend sichten, die Digitalisierungsstrategie besprechen und erste Perspektiven der Auswertung diskutieren.

Im Rahmen dieses vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Programm Pro*Niedersachsen geförderten Projekts bietet das Emsland Moormuseum für Studierende am Historischen Seminar der UOS die Möglichkeit an, Praktika im Rahmen ihrer Studiengänge zu absolvieren. Auch die Gelegenheit, BA bzw. MA Abschlussarbeiten im Kontext des Projekts zu entwickeln. Interessierte Studierende melden sich bitte bei der Professur NGHM.

Projektwoche zu kritischer Erinnerungskultur im Kontext von Holocaust und Vernichtungskrieg @ NGHM | UOS

Vom 11. bis zum 17. März organisiert die Abteilung Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung (Professor Dr. Christoph Rass) gemeinsam mit Kooperationspartnern eine Reihe von Veranstaltungen und Workshops zu kritischer Erinnerungskultur im Kontext von Holocaust und Vernichtungskrieg an der Universität Osnabrück.

>> zur Pressemeldung der Universität Osnabrück

Freiwillige der Geschichtswerkstatt Minsk befestigen heruntergefallene Namensschilder für die Opfer der Shoah im Wald der Namen bei Blagowtschina / Maly Trostenez (Foto: Aliaksandr Dalhouski).
  • Gefördert von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft und in Zusammenarbeit mit dem IBB Dortmund sowie der Geschichtswerkstatt Leonid Levin in Minsk findet vom 11. bis zum 17. März an der Universität Osnabrück der Workshop Mapping the Co-Presence of Violence and Memory in Belarus statt, der belarussische zivilgesellschaftliche Akteure, Studierende und Historikerinnen bzw. Historiker mit Studierenden und Wissenschaftlerinnen sowie Wissenschaftlern der Uni Osnabrück zusammenbringt. Gemeinsam will die Gruppe digital public history Formate entwickeln, die von Initiativen für eine reflektierte Erinnerungsarbeit selbstbestimmt eingesetzt werden können. Ziel ist ein wechselseitiger Lernprozess, bei dem alle Beteiligten von den Erfahrungen und Ideen, die in der Gruppe zusammenkommen, Denkanstöße und Lösungsvorschläge mitnehmen können.
  • Begleitend zum Workshop zeigt die Projektgruppe eine Ausstellung des in Israel lebenden Fotografen Alexander Litin. Die jüdische Geschichte in der Region Mogilew und der Holocaust in Belarus stehen im Zentrum seiner Arbeit. Seit mehr als zwei Jahrzehnten dokumentiert Alexander Litin Erinnerungen und Erinnerungsorte der Shoah. In Osnabrück werden nun erstmals ausgewählte Bilder aus seinem Werk ausgestellt. Die Ausstellung wird im Studierendenzentrum der Universität (Gebäude 53) am 13. März um 18 Uhr im Beisein des Fotografen eröffnet. 
Ein Treffen von Überlebenden der Deportationen bei Osaritschi (1944) im Jahr 1997 am Mahnmal (Foto: Chomec, Belorusskij gosudarstwennyj muzej istorii Welikoj Otetschestwennoj wojny).
  • Im März 2024 jährt sich zum 80. Mal eines der größten Kriegsverbrechen der Wehrmacht in Belarus: Damals deportierten Truppen der 9. Armee der Wehrmacht etwa 50.000 Zivilistinnen und Zivilisten in Lager nahe der Frontlinie beim Dorf Osaritschi und ließen ihre Opfer, darunter viele Mütter mit kleinen Kindern, ältere Menschen, Kranke und Menschen mit Behinderung, dort als „menschliche Schutzschilde“ beim eigenen Rückzug zurück, um „unnütze Esser“ zu beseitigen. Etwa 9.000 Menschen starben während der Deportationen oder an deren Folgen. Am 15. März 2024 um 19 Uhr – vor genau 80 Jahren waren die Deportationen in vollem Gang – sprechen Dr. Aliaksandr Dalhouski, Geschichtswerkstatt Minsk, und Prof. Dr. Christoph Rass, Universität Osnabrück, die seit vielen Jahren gemeinsam zu deutschen Kriegsverbrechen in Belarus forschen, im Ratssitzungssaal der Stadt Osnabrück über den Ereignishorizont und die Erinnerungskultur im Kontext der Deportationen von Osaritschi. Der Titel des Vortrags lautet: Osaritschi 1944. Ereignis und Erinnerung. Alle Interessierten sind herzlich zu dieser öffentlichen Veranstaltung eingeladen. 
Marija Rytschankowa aus dem Dorf Wiritschew mit ihren drei Kindern nach der Befreiung aus den Lagern auf dem Weg in die Siedlung Osaritschi am 19. März 1944 (Foto: Alperin, Belorusskij gosudarstwennyj muzej istorii Welikoj Otetschestwennoj wojny).

In dieselbe Woche fällt die Abschlussveranstaltung des Projekts In Stein gemeißelt? – Digital erfahrbare Erinnerungsdiskurse im Stadtraum von Niedersachsen und Osteuropa, das durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert wird. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Professur für Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung der Universität Osnabrück, des Seminars für Mittlere und Neuere Geschichte der Georg-August-Universität Göttingen, der Fakultät für Philosophie und Geschichte der Universität Lettlands in Riga, der Geschichtswerkstatt Minsk, des Museums Friedland und des Kulturerbes Niedersachsen. Im Mittelpunkt steht die kritische Erschließung materieller Erinnerungskultur in Osteuropa und Niedersachsen mit digitalen Methoden. Am 12. März 2024 ab 18 Uhr stellen die Mitwirkenden in der Universitätsbibliothek auf dem Campus Westerberg ihre Ergebnisse in einer hybriden Veranstaltung vor. Interessierte können sich unter der E-Mail-Adresse annika.heyen@uni-osnabrueck.de anmelden.

Die Koordination der Projektwoche im NGHM Team liegt bei Mirjam Adam, Lukas Hennies & Annika Heyen.

NGHM-Tracker (3/2024)

Der monatliche Newsletter der Arbeitsgruppen der Professur Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung der Universität Osnabrück

Im Februar gingen die Lehrveranstaltungen an der Universität Osnabrück in den Endspurt. Aber nicht nur die Lehre, auch einige Projekte näherten sich allmählich ihrem Abschluss. Darüber hinaus waren die Kolleg:innen der Arbeitsgruppe Negotiating Migration im Februar international auf Archivreise. Über verschiedene Reisen, Zielgeraden, aber auch neue Projekt berichtet unsere Februar-Ausgabe.

Von Ella Malin Visse & Jessica Wehner

Einblicke

Studierende des Proseminars während einer Gruppenarbeitsphase (Foto: NGHM)

Das Proseminar der Neuesten Geschichte und Historischen Migrationsforschung “Osnabrück im Zweiten Weltkrieg – regionalhistorische Perspektiven auf das “Dritte Reich” schloss auch dieses Wintersemester mit einer Posterpräsentation der Studierenden ab. Das Seminar beschäftigte sich über ein Semester lang mit der Präsenz und den gesellschaftlichen Konsequenzen des Nationalsozialismus in Osnabrück. Es stellte damit einen konkreten regionalen Bezug dieses komplexen historischen Ereignisses und seiner Folgen bis in die Nachkriegszeit und Gegenwart her. Dabei beschäftigten sich die Studierenden gemeinsam mit ihren Dozent:innen Mirjam Adam und Lukas Hennies mit Themen der politischen und gesellschaftlichen Verfolgung von durch das NS-Regime definierten Verfolgungsgruppen, mit politischer Propaganda, aber auch mit dem Widerstand sowie Spezifika der historischen Ereignisse im Raum Osnabrück. Zudem beschäftigten sich die Studierenden intensiv mit Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens und vertieften ihre Kompetenzen anhand einzelner Übungen mit den Dozierenden und ihrem Tutor Gero Leege.

Posterpräsentation im Proseminar (Foto: NGHM)

Die Studierenden bereiteten darauf hin eigenständig Plakate zu spezifischen Themen vor, mit denen sie visuell ihre geplanten Themen der nun folgenden Hausarbeiten darstellten. Diese stellten sie am 1. Februar im Rahmen des Seminars ihren Kommiliton:innen vor und diskutierten mit ihnen darüber. Dabei gelang es den Seminarteilnehmer:innen, einen regen Diskurs über die individuellen Zielsetzungen und Methoden ihrer Fragestellungen herzustellen und verbleibende Desiderate und Herausforderungen beim individuellen Forschen offen zu legen. 

Eine Auswahl der studentischen Poster ist nun auch für Besucher:innen am Institut ausgestellt (Foto: Jessica Wehner)

Während die Studierenden ihre Überlegungen im Proseminar diskutierten, arbeiteten die beiden Teams der Projekte In Stein gemeißelt? – Digital erfahrbare Erinnerungsdiskurse im Stadtraum von Niedersachsen und Osteuropa und Digitale Edition der Selbstzeugnisse des Glandorfer NSDAP-Organisationsleiters Bernhard Beckmann ebenfalls auf den Abschluss der Projekte hin:

Die Arbeiten an der digitalen Ausstellung als Endprodukt des gleichnamigen Projektes “In Stein gemeißelt? – Digital erfahrbare Erinnerungsdiskurse im Stadtraum von Niedersachsen und Osteuropa” der NGHM, der Georg-August-Universität Göttingen, der Fakultät für Philosophie und Geschichte der Universität Lettlands in Riga, der Geschichtswerkstatt Minsk, des Museums Friedland und des Kulturerbes Niedersachsen gehen in die finale Phase. In Osnabrück wurde das Projekt von Annika Heyen koordiniert und von den studentischen Hilfskräften Johannes Pufahl und Tim Ott unterstützt. Ziel des Projekts war es, mithilfe von kostengeringen oder sogar kostenlosen digitalen Werkzeugen – insbesondere der 3D-Modellierung und der 360°-Fotografie – materielle Erinnerungskultur zu visualisieren und über Landesgrenzen hinweg Diskussionen über geteilte Erfahrungen in Vergangenheit und Gegenwart anzuregen. Nachdem Studierende und geschichtswissenschaftlich Forschende in Göttingen und Friedland, Osnabrück, Minsk und Riga über Monate hinweg Denkmäler als materielle, in Stein gemeißelte Erinnerungskultur in ihren Städten als digitale, dreidimensionale Modelle aufbereitet und die Hintergründe sowohl der Erinnerungsorte selbst als auch der Ereignisse, deren Gedenken die Denkmäler gewidmet sind, recherchiert hatten, beschäftigen sich die Projektmitarbeiter:innen nun mit den letzten Feinarbeiten an den Ausstellungsseiten und an dem digitalen Rundgang für mobile Endgeräte. Die Ergebnisse werden ab dem 12. März sichtbar sein.

Das Projekt-Team freut sich bereits auf die am 12. März stattfindende Veranstaltung (vlnr. Johannes Pufahl, Tim Ott und die Koordinatorin Annika Heyen; Foto: Jessica Wehner)
Das Projekt-Team “Digitale Edition der Selbsterzeugnisse des Glandorfer NSDAP-Organisationsleiters Bernhard Beckmann (vlnr: Julia Grewe, Valentin Loos und Maik Hoops, leider fehlt Vincent Jakubowski; Foto: Annika Heyen)

Auch das Team des Projekts „Digitale Edition der Selbstzeugnisse des Glandorfer NSDAP-Organisationsleiters Bernhard Beckmann“ ist mit der Arbeit bereits weit vorangeschritten. In Kooperation mit dem Heimat- und Kulturverein Glandorf e.V. arbeiteten Koordinator Maik Hoops, Vincent Jakubowski, Valentin Loos und Julia Grewe am Projekt. Ziel des Projektes ist es, mithilfe des Open-Source-Tools OMEKA eine kritische und frei zugängliche Online-Edition der Tagebücher zu erarbeiten und diese so im Sinne einer wissenschaftlichen Public History für die Öffentlichkeit zu erschließen und für die kulturelle, didaktische sowie wissenschaftliche Weiternutzung aufzubereiten. 

Projekthilfskraft Vincent Jakubowski bei der Bereinigung des Transkripts mithilfe der Software Transkribus


Das Team transkribierte dazu zuerst mithilfe des auf die Erkennung von Handschriften trainierte KI-Modell der Software Transkribus die Original-Handschriften Beckmanns. Das Ergebnis dieser Transkription wurde dann durch das Projekt-Team nachbearbeitet. Die so entstandenen Transkripte bilden fortan die Grundlage für die weitere Arbeit. Sie werden entlang eines eigens entwickelten und auf die Funktionalitäten der Open-Source Software Omeka abgestimmten Editionsleitfadens für die Übertragung in die Editionswebsite aufbereitet. Sind die Transkripte vollständig übertragen, werden textkritische Anmerkungen sowie Sachkommentare in Form von (Overlay-)Fußnoten und Querverweisen eingepflegt werden. Darüber hinaus werden die übertragenen Texte von Scans der Beckmann‘schen Tagebucheinträge begleitet, sodass Lesende einen eins-zu-eins-Abgleich von Original und Transkript vornehmen können. Ein ausführlicherer Zwischenbericht folgt demnächst auf unserem Blog.

Während Teile des NGHM-Teams die Arbeit in Osnabrück fortsetzten, wühlten sich die Kolleg:innen der Arbeitsgruppe Negotiating Migration durch bergeweise interessante Akten in den USA:

In den Beständen finden sich zahlreiche zeitgenössische Artikel zum Schicksal der “Displaced Persons” in Europa wieder

Am 31. Januar wechselte Jessica Wehner von New York nach Washington DC, um im Nationalarchiv in College Park zu forschen. Im Archiv arbeitete sie sich durch die zahlreichen Materialien der amerikanischen Displaced Persons Commission, zeitgenössische Zeitungsartikel und Korrespondenzen bezüglich einer möglichen Aufnahme von “Displaced Persons” in die Vereinigten Staaten. Am 18. Februar ging es dann zurück nach Deutschland zum heimischen Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) in Osnabrück, um die gesichteten Akten durchzuarbeiten und sich mit Kolleg:innen über die Funde auszutauschen.

Nachdem Jessica Wehner Mitte Februar von ihrer Archivreise in den USA zurückgekehrt ist, hat unter anderem Dr. Sebastian Huhn die Repräsentanz der NGHM in den Vereinigten Staaten übernommen. In New York recherchiert er derzeit für sein DFG-Projekt Negotiating Resettlement unter anderem in Archivbeständen jüdischer und christlicher Organisationen, die sich während und nach dem Zweiten Weltkrieg für NS-Opfer und Flüchtlinge in Europa engagierten. Zu den Archiven, in denen Sebastian derzeit arbeitet, gehören jene des Center for Jewish History und des Center for Migration Studies.

Die Archiv-Außenstelle NGHM übernahm ab Mitte Februar Sebastian Huhn und forscht unter anderem im Lilian Goldman Reading Room des Center for Jewish Studies

Ebenfalls in den USA befindet sich derzeit Dr. Sebastian Musch. Dort ist er im Sommersemester als Harry Starr Fellow in Judaica am Center for Jewish Studies der Harvard University tätig. In der Forschungsgruppe Jewish Migration in the 16th -21st centuries unter Leitung von Derek Penslar, Direktor des Center for Jewish Studies und William Lee Frost Professor of Jewish History, untersucht Musch die Wahrnehmung von Flüchtlingen aus dem Globalen Süden in den 1950er und 1960er Jahren durch jüdische Intellektuelle deutscher Herkunft, die selbst Fluchterfahrung in der Zeit des Nationalsozialismus gemacht haben. Am 27. Februar hat er erste Ergebnisse im Forschungskolloquium des Center for Jewish Studies vorgestellt. In seinem Vortrag mit dem Titel “Refugeedom and Reclaimed Agency in the Lives and Writings of Three German-Jewish Intellectuals” diskutierte Sebastian Musch Fluchterfahrungen im Werk von Hannah Arendt, Günther Anders und Kurt Grossmann. Weitere öffentliche Vorträge an der Harvard University zu diesem Themenbereich wird Sebastian Musch im März und April halten. Leser:innen des Blogs im Großraum Boston und darüber hinaus sind natürlich recht herzlich eingeladen.

Während die Kolleg:innen in Osnabrück sich bereits an den dauerhaften Regen gewöhnt haben, kann Sebastian Musch seinen Forschungsaufenthalt in Boston bei strahlendem Sonnenschein genießen

Notizen


Am 14. Februar konnte Mirjam Adam den Kolleg:innen, darunter die ehemalige Kollegin Dr. Christin Bobe des Open Geophysical Seminars an der RWTH Aachen, Einblicke in die aktuelle Forschung der ,Interdisziplinären Arbeitsgruppe Konfliktlandschaften‘ (IAK) und derer Methoden am Fallbeispiel des Drittmittelprojektes ,Lernort ,Schlachtfeld’? Neue Didaktik einer Konfliktlandschaft Hürtgenwald’ (2020-2024) vorstellen. Unter dem Titel “Uncovering the ,Bloody Forest’ – Interdisciplinary Research on the Huertgen Forest Battlefield’ zeigte sie, wie das ,Schlachtfeld Hürtgenwald‘ mit einem Team von Historiker:innen, Geophysiker:innen, Geoinformatiker:innen, Geograph:innen und Archäolog:innen aus verschiedenen Perspektiven untersucht werden kann. Sie zeigte, wie mithilfe einer ineinandergreifenden Methodenkette der vertretenen Disziplinen Spuren der Kämpfe von 1944-1945 nachvollzogen werden können. Mit einer ineinandergreifenden Methodenkette kann zudem auch die Produktion von Geschichte, die sich häufig in Metaphern wie ,the bloody Forest’ (Gerald Astor 2000) äußern, nicht nur untersucht, sondern auch kritisch eingeordnet werden. 

Das Team der NGHM freut sich, Dr. Michael Schmidt im Team begrüßen zu dürfen

Zum 1. März kommt Michael Schmidt ins NGHM-Team. Er absolvierte sein Studium der Neueren und Neuesten Geschichte ab 1985 in Münster und promovierte anschließend. Sein vornehmliches Arbeitsgebiet ist die Wirtschaftsgeschichte, hier vor allem die des Emslandes. Auch sein aktuelles, vom Nds, Ministeriumn für Wissenschaft und Kultur finanziertes Projekt, eine Kooperation mit dem Emsland Moormuseum in Groß Hesepe, ist thematisch in dieser Region angesiedelt. Es geht um die Erforschung der Sammlung Richard. Karl-Hinrich Richard (1913-1994) war ein Konstrukteur von Torfabbaumaschinen, der seine Arbeit zeit seines Berufslebens in Konstruktionszeichnungen, Notizen, Fachartikeln und fotografisch dokumentiert hat. Ziel des Projektes ist es, diese von Richard nach technischen Gesichtspunkten zusammengestellte Sammlung für die historische Forschung zu erschließen, um so die Grundlagen für die Erforschung der Torfindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg bis etwa 1985 zu verbreitern. Wichtige Aspekte sind hierbei u. a. die Entwicklung des Torfabbaus und seiner Produkte, Absatzmöglichkeiten infolge nationaler und internationaler Entwicklungen, Arbeitskräfteeinsatz und -gewinnung oder die Frage, wie Torfabbau im Hinblick auf den Klimawandel zu bewerten ist. Ziel des Projektes ist auch eine Einordnung der wirtschaftlichen Lage der Torfabbauunternehmen in die niedersächsische Wirtschaft nach 1945.

Am 21. Februar besuchte Annika Heyen in Berlin die Lunch Discussion des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) zum Thema “Migration und Museum. Von der Erinnerung in die Zukunft“. Moderiert von Noa Ha diskutierten Piritta Kleiner vom Museum Friedland, Simone Blaschka, Direktorin des Deutschen Auswandererhauses, und Bebero Lehmann vom gerade durch das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (DOMiD) entwickelten Migrationsmuseum Haus der Einwanderungsgesellschaft (Arbeitstitel) darüber, wie, von wem und warum Migrationsgeschichte im Museum erzählt werden sollte. Insbesondere im Hinblick auf das T-Projekt des am 1. April beginnenden Sonderforschungsbereichs 1604 “Produktion von Migration” war dies eine Veranstaltung mit spannenden Einblicken in die Ausstellungspraxis rund um das Thema Migration.

Im Rahmen der aktuellen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und Rassismus hat der New Insider, ein Osnabrücker Stadtblatt, Prof. Dr. Christoph Rass zur historischen Einordnung der aktuellen gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse befragt. Im Sommersemester 2024 setzt das NGHM Team gemeinsam mit Prof. Dr. Christoph Mauntel (Geschichte des Mittelalters) und Prof*in Dr. Lale Yildirim (Didaktik der Geschichte) die Diskussion über die Bedrohung unserer Gesellschaft durch Rechtsextremismus und Rassismus – und angemessene Reaktionen darauf – in einer Reihe öffentlicher Veranstaltungen an der Universität Osnabrück fort. Genaue Termine und Programm werden bald veröffentlicht, die Diskussionsrunden werden Dienstags ab 18 Uhr an der UOS stattfinden.

Blogbeiträge im Februar

Ausblick & aktuelle Termine

Für den März möchten wir auf zwei spannende Veranstaltungen hinweisen:

Am 12. März lädt die NGHM zur Abschlussveranstaltung des Projekts In Stein gemeißelt“ ein, das sich, gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, als gemeinsames Projekt mit dem Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte der Georg-August-Universität Göttingen, der Fakultät für Philosophie und Geschichte der Universität Lettlands in Riga, der Geschichtswerkstatt Minsk, dem Museum Friedland und dem Kulturerbe Niedersachsen mit materieller Erinnerungskultur in Osteuropa und Niedersachsen befasst hat. Ab 18 Uhr stellen Projektmitwirkende in der Universitätsbibliothek auf dem Campus Westerberg ihre Ergebnisse in einer hybriden Veranstaltung vor. Interessierte können sich unter der E-Mail-Adresse annika.heyen@uni-osnabrueck.de anmelden. 

Vom 11. bis 17. März richtet die NGHM eine Projektwoche zu kritischer Erinnerungskultur im Kontext von Holocaust und Vernichtungskrieg aus. Gefördert von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und in Zusammenarbeit mit dem IBB Dortmund sowie der Geschichtswerkstatt Leonid Levin in Minsk findet der Workshop „Mapping the Co-Presence of Violence and Memory in Belarus“ statt, der zivilgesellschaftliche Akteur:innen, Studierende und Historiker:innen aus Belarus zusammenbringt, um digital public history Formate zu entwickeln. Die digitalen Formate können von Initiativen für eine reflektierte Erinnerungsarbeit selbstbestimmt eingesetzt werden. Begleitend zum Workshop zeigt die Projektgruppe eine Ausstellung des Fotografen Alexander Litin zu Erinnerungen und Erinnerungsorten der Shoah. Die Ausstellung wird am 13. März um 18 Uhr im Studierendenzentrum der Universität Osnabrück (Gebäude 53) eröffnet. Die Öffentlichkeit ist herzlich zu diesem Termin eingeladen. Ebenfalls herzlich eingeladen sind Interessierte zum Vortrag „Osaritschi 1944. Ereignis und Erinnerung“ anlässlich des 80. Jahrestages eines der größten Kriegsverbrechen der Wehmacht in Belarus von Aliaksandr Dalhouski und Christoph Rass. Dieser Vortrag findet am Freitag, den 15. März, um 19 Uhr im Ratssitzungssaal der Stadt Osnabrück statt.

Osaritschi 1944 – Vortrag im Museum Berlin-Karlshorst, 19. März 2024.

Im März 2024 jährt sich mit den Deportationen von Osaritchi eines der größten Kriegsverbrechen der Wehrmacht in Belarus zum 80. Mal.

Im März 1944 deportierte die 9. Armee der Wehrmacht – unter Beteiligung aller ihr unterstellten Divisionen sowie auch eines Sonderkommandos der „Einsatzgruppen“ des SD – in Belarus ca. 40-50.000 Zivilist:innen aus dem gesamten „Armeegebiet“, darunter viele kranke und ältere Menschen, Mütter mit Kleinkindern und Menschen mit Behinderung, in einen Lagerkomplex westlich des Dorfes Osaritschi (Ozarichi) und ließen sie dort als „menschliches Schutzschild“ bei einer eigenen „Frontbegradigung“ zurück.

Überlebende der Deportation bei der Evakutierung durch die Rote Armee (© Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, Minsk, Foto: Alperin)

Es ging der Wehrmacht darum, „unnütze Esser“ zu beseitigen und zugleich der Roten Armee eine humanitäre Katastrophe zu hinterlassen, um deren Vormarsch zu verlangsamen. Mit diesen Deportationen trat die Kriegführung der Wehrmacht in Belarus in eine neue, systematisch unmenschliche Phase der Radikalisierung ein. Vergleichbare Operationen beabsichtigte die „Heeresgruppe Mitte“ überall entlang der „Front“ zu wiederholen.

Aus Anlass des 80. Jahrestages sprechen Dr. Aliaksandr Dalhouksi, Geschichtswerkstatt Leonid Levin, Minsk, und Prof. Dr. Christoph Rass (Universität Osnabrück) gemeinsam über Ereignishorizont und Erinnerungskultur der Deportationen von Osaritschi.

Der Vortrag beginnt am 19. März 2024 um 19. Uhr im Museum Berlin-Karlshorst

-> zur Veranstaltungsankündigung des Museums Berlin-Karlshorst.

Lehrangebot NGHM@UOS im Sommersemester 2024

2024 jährt sich die Gründung der Universität Osnabrück zum 50. Mal. Die Arbeitsgruppe Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung nimmt das Jubiläum zum Anlass, die Nachkriegszeit in Deutschland bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten in den Blick zu nehmen – natürlich gibt es auch ein Seminar zur Gründung der UOS.

Zugleich bauen wir im Sommersemester 2024 insbesondere auch unsere internationale Vernetzung in der Lehre aus. Dazu konnten wir alte und neue Lehrbeauftragte für das NGHM Team gewinnen. Bitte beachten Sie ganz besonders die Veranstaltungen von Dr. Dr. Valentin Schneider (Athen), Dr. Aliaksandr Dalhouski (Minsk/Oldenburg), und Dr. Carlo Gentile (Köln).

Eine Übersicht über das Lehrportfolio der Professur Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung im Sommersemester 2024 finden Sie hier.

Die Vorlesung von Prof. Dr. Christoph Rass widmet sich der Geschichte von “BRD” und “DDR”. Dabei gibt es einen Überblick über wichtige Entwicklungslinien in der Gesellschaftsgeschichte der beiden Deutschen Staaten von der “doppelten Staatsgründung” bis zur “Wiedervereinigung”. Dabei diskutiert die Vorlesung die Geschichte von BRD und DDR als eine Verflechtungsgeschichte.

Unter anderem setzten sich die Studierenden im Seminar mit dem Integrationsbegriff des Osnabrücker Soziologen und Migrationsforschers Michael Bommes auseinander, der bis zu seinem Tod im Jahr 2010 als Professor am IMIS tätig war. Bommes’ im Jahr 2007 publizierter Essays “Integration – gesellschaftliches Risiko und politisches Symbol” kann dabei als ein Schlüsseltext zur kritischen Diskussion der “Produktion von Integration” gelten (Bommes, Michael: Integration – gesellschaftliches Risiko und politisches Symbol, in: APuZ: “Integration” (Bd. 22-23) 2007, S. 3-5, hier S. 3).

Das Vertiefungsseminar Die Produktion von Migration: “Integration” – Geschichte eines migrationspolitischen Konzepts im 20. Jahrhundert (Prof. Dr. Christoph Rass) wendet sich an Studierende der Geschichtswissenschaft im BA und MA sowie die Studierenden des IMIB@IMIS. In der Veranstaltung folgen wir einem begriffsgeschichtlichen Ansatz (Koselleck), um zu erschließen, welche Bedeutungen Begriffen wie “Integration” bei der Aushandlung von migrationsinduziertem gesellschaftlichen Wandel in Deutschland seit den 1960er Jahren zugeschrieben wurden und wie diese Bedeutungsproduktion das Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft mit Blick auf Migration und Diversität geprägt hat. Dabei werden neben dem politischen Diskurs und Medienbeiträgen vor allem wissenschaftliche Texte als Quellenmaterial im Vordergrund stehen.

Anlässlich des Universitäts-Jubiläums präsentiert die Universität in einem Kalender Schlaglichter auf die Geschichte der UOS. Auf diesem Foto zu sehen ist das einstige “Haus der Landwirtschaft” nach dessen Umbau. Heute ist dort das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) untergebracht (© Elena Scholz (1996).

Im Vertiefungsseminar Die Universität Osnabrück: Gründung und Anfangsjahre (Prof. Dr. Christoph Rass) gehen wir gemeinsam mit dem Universitätsarchivar Dr. Thorsten Unger und in Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesarchiv Fragestellungen aus der Gründungszeit der Universität Osnabrück nach. Wie war es, als die ersten Studierenden aus dem In- und Ausland an die neue Universität kamen? Wer waren eigentlich die ersten Professor:innen an der UOS? Wo lagen die Anfänge der Universität im Stadtbild? Welche politischen und wissenschaftlichen Debatten haben die Anfangszeit der Uni Osnabrück geprägt? Auf der Suche nach Antworten vertiefen wir uns in Dokumente aus dem Universitäts- und aus dem Landesarchiv, suchen Spuren der Universitätsgründung in der Stadt und stoßen womöglich auf Zeitzeug:innen, die uns aus den Anfangsjahren der Universität berichten können.

Die Kolloquien von Prof. Christoph Rass richten sich wie in jedem Semester an Examenskandidat/innen in Bachelor- und Masterstudiengängen, die einen Schwerpunkt im Bereich der Neusten Geschichte bzw. der Historischen Migrationsforschung legen, sowie an die Doktorand:innen, die an der Professur betreut werden.

Das Vertiefungsseminar Der Holocaust und der Nationalsozialismus: Debatten und Kontroversen in der Nachkriegsgesellschaft (Dr. Sebastian Musch) widmet sich gesellschaftlichen und historiographischen Debatten um den Holocaust und den Nationalsozialismus in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft und untersucht dabei, wie die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Terrorherrschaft und Vernichtungspolitik vorangetrieben, diskutiert und wahrgenommen wurde. Neben den philosophischen bzw. essayistischen Einwürfen von Theodor Adorno (“Erziehung nach Auschwitz”) und Jean Amery (“Ressentiments”) werden historiographische Debatten, wie z.B. zwischen Intentionalisten und Funktionalisten, um Fragen der Opferperspektive (Browning-Goldhagen Debatte) und der Historikerstreit thematisiert. Zudem werden wir auch einen Blick auf heutige Kontroversen um das Verhältnis von nationalsozialistischer Vernichtungspolitik und Kolonialismus werfen.

Die Studierenden kommen ins Gespräch: Neben Einführungen in das wissenschaftliche Arbeiten gibt es auch genügend Gelegenheiten für die Diskussion miteinander (Foto: NGHM)

Das Proseminar ,Bipolare Weltordnung’ oder ,Der Kalte Krieg’ (Lukas Hennies, M.A. und Mirjam Adam, M.Ed.) setzt sich mit thematischen Leitlinien des Großkonfliktes zwischen USA und UdSSR im 20. Jahrhundert auseinander. Als Einführungsseminar für Studierende des Bachelors im Fach Geschichte beschäftigt sich das Seminar vor allem mit ausgewählten Krisen und Stellvertreterkonflikten, die Einblick in die komplexen politischen Kontinuitäten jener dem Zweiten Weltkrieg folgenden Konfrontation geben und – räumlich begrenzt – die übergeordneten Handlungsstränge verdeutlichen. Neben der inhaltlichen Annäherung vertieft das Proseminar wöchentlich das propädeutische Arbeiten und vermittelt Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens. 

Ergänzt wird das Seminarprogramm durch drei Seminare bzw. Übungen, die unsere Lehrbeauftragten anbieten:

Dr. Aliaksandr Dalhouski ist stellvertretender Leiter der Geschichtswerkstatt Minsk

Die Übung Die transnationale Katastrophe von Tschernobyl. Belarus und die internationale Soldaritätsbewegung von Dr. Aliaksandr Dalhouski thematisiert die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, die historisch als erste globale technogene Katastrophe gilt.

Die radioaktive Wolke, die im Mai 1986 weder vor nationalen noch vor politischen Grenzen halt machte, verstrahlte viele europäische Regionen, vor allem Belarus und die Ukraine, auf unabsehbare Zeit.

Ökologische Kundgebung, gewidmet der Tschernobyl-Problematik am 26. Juli 1989 in Minsk

Hunderte Orte sind nach der Reaktorexplosion von der Landkarte verschwunden und mehr als 350.000 Menschen wurden aus verstrahltem Gebiet rund um Tschernobyl evakuiert oder umgesiedelt. Gleichzeitig hat die Katastrophe eine beispiellose internationale Solidaritätsbewegung ins Leben gerufen. Dennoch droht heute sie zunehmend in Vergessenheit zu  geraten. In der Veranstaltung wird es um die Fragen gehen: Wie kam es zur Katastrophe? Wie sahen/sehen aktuell die verstrahlten Regionen aus? Wie lebten/leben heute die Betroffen von den Folgen? Wie kam es zur einen beispiellosen internationalen Solidaritätsbewegung?

Dr. Dr. Valentin Schneider ist Guest Researcher am Institute of Historical Research (NHRF) in Athen

Die Übung Porsche vs. Renault: Die Konstruktion nationaler Automobil-Identitäten in Abgrenzung zum Anderen als Teil der deutsch-französischen Beziehungen (1945-1990) von Dr. Dr. Valentin Schneider widmet sich den deutsch-franzöischen Beziehung am Beispiel der Automobilindustrie. Politisch wurden die deutsch-französischen Beziehungen vor allem geprägt von drei Kriegen zwischen 1870 und 1945 und der darauffolgenden Annäherung und Aussöhnung, die 1963 im Élysée-Vertrag gipfelte.

Wirtschaftlich blieben (West-)Deutschland und Frankreich jedoch Rivalen, was sich besonders am Beispiel der in beiden Ländern mächtigen Automobilindustrie beobachten lässt. Im Kampf um politischen Einfluss, Fachkräfte und vor allem Marktanteile werden seit jeher alte nationale Stereotype mobilisiert, besonders in der Werbung und in der Presse, wenn z.B. vom „starken“ und „zuverlässigen“ Fabrikat aus Deutschland die Rede ist, im Gegensatz zum vermeintlich „komfortablen und familienfreundlichen Franzosen“. Gegenstand dieser Übung soll sein, den Hintergrund dieser in beiden Ländern nationalistisch geprägten Automobilismen zu beleuchten und dabei die starken Verbindungen und gegenseitigen Abhängigkeiten aufzudecken.

Dr. Carlo Gentile ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität zu Köln (Foto: Ann Büttner)

In der Übung von Dr. Carlo Gentile Zeugnisse der Täter: Zum Umgang mit täterbezogenen Quellen der deutschen Besatzung in Italien und der Verfolgung von Kriegsverbrechen nach 1945 steht insbesondere die Arbeit mit Quellen im Mittelpunkt. Die deutsche Besatzung Italiens war eine der blutigsten im Zweiten Weltkrieg. Insbesondere während des Rückzugs durch Mittelitalien und im Rahmen des Partisanenkriegs kam es zu zahlreichen Massakern an der Zivilbevölkerung.

Diese Ereignisse sind in militärischen Akten dokumentiert sowie in Briefen und Tagebüchern von Soldaten, die daran teilgenommen haben oder Zeugen dieser waren. Auch der Versuch, diese Taten in der Nachkriegszeit juristisch zu ahnden, hat eine unübersichtliche Menge an Dokumentation hervorgebracht. In unserem Seminar reflektieren wir über den wissenschaftlichen Umgang mit diesen Quellen. Die Veranstaltung findet in Zusammenarbeit mit dem Public-History-Projekt “Die Massaker im besetzten Italien (1943-1945) in der Erinnerung der Täter” statt.

Das Exkursionsprogramm der Abteilung Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung im Sommersemester 2024 sieht Besuche beim DOMiD in Köln, bei der Helmut Schmidt Stiftung in Hamburg, beim Militärgeschichtlichen Museum in Dresden sowie Exkursionen zu den lokalen Gedenkstätten Gestapokeller / Augustaschacht und Esterwegen vor; auch das Angebot kritischer Stadtrundgänge zur Queeren Geschichte von Osnabrück und zu postkolonialen Perspektiven auf die Stadtgeschichte soll wieder aufgenommen werden.

Die Anmeldung zu den Lehrveranstaltungen des Historischen Seminars über StudIP wird für Angehörige der Universität Osnabrück am 1. März freigeschaltet.

Abschlussveranstaltung ISG

Das digitale, trinationale Ausstellungsprojekt „In Stein gemeißelt? – Digital erfahrbare Erinnerungsdiskurse im Stadtraum von Niedersachsen und Osteuropa“ nähert sich seinem Abschluss. Wir laden Sie herzlich zur Präsentation der Projektergebnisse am Dienstag, 12. März 2024, 18 Uhr, in der Universitätsbibliothek am Westerberg in Osnabrück ein.

„In Stein Gemeißelt“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Seminars für Mittlere und Neuere Geschichte der Georg-August-Universität Göttingen, der Professur für Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung der Universität Osnabrück, der Fakultät für Philosophie und Geschichte der Universität Lettlands in Riga, der Geschichtswerkstatt Minsk, des Museums Friedland und des Kulturerbes Niedersachsen.

Gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur digitalisierten die sechs Projektpartnerinstitutionen in vier verschiedenen Städten und in drei verschiedenen Ländern Denkmäler als Ausdruck öffentlicher Erinnerungskultur in Form von dreidimensionalen Modellen und recherchierten die Hintergründe sowohl der Erinnerungsorte selbst als auch der Ereignisse, deren Gedenken die Denkmäler gewidmet sind. Das Themenspektrum reicht hierbei von Antisemitismus in den 1920er Jahren über die Verbrechen des Nationalsozialismus bis hin zu Taten des Sowjetregimes in der Nachkriegszeit. Die Ergebnisse dieser Recherchen wurden auf der gemeinsamen Projektwebsite sowie in einem Rundgang für mobile Endgeräte zusammengetragen.

Neben der Präsentation dieser digitalen Produkte dient die Veranstaltung am 12. März der Einbettung des Projekts in die aktuellen erinnerungskulturellen Debatten der drei beteiligten Länder sowie in die sich vor allem in den vergangenen fünf Jahren rasant entwickelnden Methoden der Digital Public History. Im Anschluss an die offizielle Vorstellung der Projektergebnisse haben Sie die Möglichkeit bei einem Getränk miteinander und mit den Projektmitwirkenden ins Gespräch zu kommen und die Website zu erkunden.

Da die Projektpräsentation hybrid durchgeführt wird, ist eine Teilnahme per Webinar möglich. Die Anmeldung hierzu ist unter der Mailadresse aheyen@uni-osnabrueck.de möglich. Die Zugangsdaten zum Meeting werden Ihnen im Vorfeld der Veranstaltung zugesandt.

Ort:
Universitätsbibliothek am Westerberg
Nelson-Mandela-Platz 4
49076 Osnabrück

Ablauf:              
18 Uhr Begrüßung
18.10 Uhr Vorträge:

“Deutschland, Lettland, Belarus: Das Zeitalter der Extreme in der Erinnerungskultur”

“Digitale Transformationen von Erinnerungskultur”

“In Stein gemeißelte Erinnerungskultur digital präsentieren: Projektvorhaben und Projektergebnisse”

19.30 Uhr Empfang

Strafprozess gegen fünf ehemalige SS-Angehörige am Landgericht Osnabrück – Studierende stellten Ergebnisse aus mehrmonatiger Archivarbeit vor

Unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Rass befasst sich das Forschungsseminar „Osnabrück im ‚Dritten Reich‘: Ereignishorizont und Geschichte, Erinnerung und Aufarbeitung“ im Wintersemester 2023/24 mit der juristischen Aufarbeitung von NS-Gewaltverbrechen.

Ein auch für die Osnabrücker Geschichte besonders einschlägiges Beispiel der in den 1960er Jahren verteilt auf ganz unterschiedliche Gerichtsstandorte stattfindenden Kriegsverbrecherprozesse ist ein Verfahren am Osnabrücker Landgericht gegen den früheren SS-Hauptsturmführer Hans Röhwer sowie weitere Angehörige der “Leibstandarte SS Adolf Hitler”.

Auf der Grundlage der kürzlich freigegebenen Prozessakten in der Osnabrücker Abteilung des Niedersächsischen Landesarchives konnten Studierende nun zu diesem Strafprozess forschen, bei dem es um die juristische Aufarbeitung eines Massakers an jüdischen Zivilisten am norditalienischen Lago Maggiore im Jahr 1943 ging.

Diese Aufarbeitung begann schon in den 1950er Jahren mit (erfolglosen) Prozessen in Österreich und Italien. In Deutschland nahm darauf die “Zentrale Stelle” in Ludwigsburg Vorermittlungen auf, die schließlich zu Ermittlungen, einer Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Osnabrück und dann einem Prozess führte.

Dabei konnten nur noch wenige Angehörige dieser Division bzw. der unmittelbar an dem Massaker beteiligten Einheiten ausfindig gemacht werden. Aus diesem Personenkreis wurden im Jahr 1967 fünf ehemalige SS-Männer aufgrund entsprechender Beweislage von der Staatsanwaltschaft Osnabrück angeklagt. Darunter befanden sich die wegen Mordes beschuldigten Kompanieführer Hans Röhwer, Herbert Schnelle und Hans Krüger sowie die Unteroffiziere Ludwig Leithe und Oskar Schulz, die aufgrund einer mutmaßlichen mittelbaren Tatbeteiligung wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht standen.

Nach ursprünglicher Verurteilung der Angeklagten durch das Landgericht Osnabrück hob der Bundesgerichtshof das Urteil im Revisionsverfahren auf. Ursache hierfür war eine waghalsige Konstruktion von Verjährungsfristen auf Grundlage der Annahme, ein Gericht der Waffen-SS habe in der Sache bereits ermittelt, die dafür gesorgt hat, dass Kriegsverbrecher auf freien Fuß gesetzt wurden.  

Der 20.000-seitige Bestand befand sich während der Archivarbeiten auf einem eigenen Archivwagen im Lesesaal des Niedersächsischen Landesarchivs Osnabrück

Durch unsere Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesarchiv – Abteilung Osnabrück konnten sich die Studierenden nun ein Semester lang auf Grundlage des knapp 20.000 Seiten umfassenden Aktenbestandes eingehend mit dem Prozess beschäftigen. Im Anschluss an die Einarbeitung in den Ereignishorizont der Tat und den historischen Kontext des Prozesses begannen ab Ende November die Arbeiten im Archiv. Dabei wurden größere Teile der von Staatsanwaltschaft und Landgericht produzierten Akten gesichtet, ausgewertet und eigene Zugänge zum Material entwickelt. 

Am Ende dieses Rechercheprozesses stand die Vorstellung erster Ergebnisse aus der Archivarbeit. Anhand von selbst gestalteten Postern stellten die Studierenden des Seminars ihre Konzepte für eine tiefere inhaltliche Auseinandersetzung mit dem gesichteten Material und den von ihnen entwickelten Fragestellungen vor. Ein erstes beachtliches Ergebnis bestand dabei in einer umfangreichen Rekonstruktion der Ereignisse im Kontext der Tat, ersten Versuchen juristischer Aufarbeitung der Massaker in Österreich und Italien in den 1950er-Jahren sowie der Ermittlungen und Gerichtsverhandlung in Osnabrück in Form einer Chronologie. Bezüglich der individuell gewählten Schwerpunkte stieß besonders die öffentliche Wahrnehmung des Prozesses im Sinne eines Indikators für den gesellschaftlichen Umgang mit der NS-Vergangenheit in der jungen Bundesrepublik auf das Interesse der Studierenden. Gleich mehrere Mitwirkende behandelten sowohl die nicht-öffentlichen Reaktionen der Öffentlichkeit mittels privater Zuschriften an das Gericht als auch die öffentliche Reaktion anhand von diskursiven Quellen.

Interessierte aus der Studierendenschaft und Angehörige des Historischen Seminars konnten zusätzlich Präsentationen zu den verschiedenen Akteuren des Prozesses (z.B. Zeugen, Ankläger oder Verteidiger), den Strafverfahren der 1950er-Jahre oder auch dem Revisionsverfahren beim BGH beiwohnen und die von den Studierenden erarbeiteten Fragestellungen mit der Arbeitsgruppe kritisch diskutieren.

In der vorlesungsfreien Zeit werden die Studierenden nun ihre ersten Konzepte weiterentwickeln und sich in Form von wissenschaftlichen Arbeiten tiefergehend mit den eigens gewählten Themen beschäftigen.

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